Schweizer Beziehungen zu Europa
Egal ob geographisch, historisch, wirtschaftlich oder kulturell; Die Schweiz ist fest in Europa verankert. Trotz ihrer Nichtmitgliedschaft in der EU ist die Schweiz auch politisch eng mit Europa verbunden. Nebst den umfangreichen bilateralen Verträgen mit der EU engagiert sich die Schweiz auch durch das Hochhalten der Europäischen Menschenrechtskonvention und die damit verbundene aktive Teilnahme im Europarat als auch in der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA), in einem europäischen Rahmen. Diese tiefe Verflechtung der politischen Schweiz mit dem Resten Europas wollen wir weiter vertiefen. Volt setzt sich für eine föderale europäische Republik ein, in der auch die Schweiz ihren Platz findet und sich nicht länger ihrer politischen Teilhabe in Europa verschliesst. Dafür setzen wir auf einen breiten und offenen Diskurs mit dem Souverän; dem Schweizer Volke.
Einen breit abgestützten Grundkonsens für Europa schaffen
Als Mitglied der Europa Allianz lancieren wir gemeinsam mit unseren Partnern die Europa-Initiative. Damit soll ein längst fälliger, breiter Diskurs in der Schweiz über die Frage, wo sich die Schweiz hin entwickeln soll, angeregt werden, ohne sich in unwichtigen Detailfragen zu verlieren. Mit einem Ja an der Urne will Volt mit der Europa-Allianz einen Grundkonsens für die europäische Integration der Schweiz in unserer Verfassung verankern. Zu diesem Zweck werden mit der Europa-Initiative bewusst keine Mittel, sondern nur Zielvorgaben genannt, denn es soll ein Diskurs um das “Warum” entstehen ohne Ablenkungen um Streitfragen zum “Wie”. Das Ziel ist die Überwindung des Framings zu Europa als Feindbild und als mit der Schweiz inkompatible Institution, das uns vor über dreissig Jahren von den Verweigerer:innen und Abschotter:innen auferlegt wurde. Dadurch soll ein Neuanfang im Europadiskurs der Schweiz eingeläutet werden, der nicht mehr durch dogmatische Vergiftung, sondern durch gute und ehrliche Argumente im Interesse der Schweiz und im Einklang mit ihren Werten geführt wird. Die Europa-Initiative dient auch dazu, aktiv den Diskurs in Richtung einer offenen und vernetzten Schweiz zu wenden und die proeuropäischen und progressiven Kräfte im Land weg von der passiven und reaktiven Position der letzten Jahre zu bewegen. Die Gegenseite bleibt allerdings nicht untätig und plant schon Gegen-Initiativen, die die Schweiz weiter abschotten wollen. Die progressive Schweiz droht also immer wieder in eine defensive Position zu geraten, anstatt mit eigenen Visionen der Schweiz neue Wege aufzuzeigen. Die Europa-Initiative dient auch dieser längst fälligen Diskursverschiebung, indem sie der Schweiz wieder neue Türen öffnet, ein positives Zeichen gegen Aussen sendet und die öffentliche Debatte für neue Wege in eine vernetzte, offene und starke Schweiz aufzeigt.Engere Zusammenarbeit in Europa fördern
Mit der Europa-Initiative soll nicht nur die Zusammenarbeit mit der EU Aufwind bekommen, sondern auch die bestehende Zusammenarbeit in anderen europäischen Institutionen gestärkt und verankert werden. Wir begrüssen, die aktive Teilnahme der Schweiz an internationalen Institutionen in Europa und der Welt. Volt unterstützt die aktive Teilnahme der Schweiz am Europarat, der OSZE, der EFTA und der europäischen politischen Gemeinschaft und fordert weitere Vertiefungen der internationalen Zusammenarbeit. Erst kürzlich hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) die Schweiz wegen Racial Profiling gerügt. Die Klage eines Mannes gegen die Polizei, die ihn aufgrund seiner Hautfarbe diskriminierte, wurde von den Schweizer Instanzen nicht anerkannt, was das Recht auf Nichtdiskriminierung unterminiert. Der EGMR konnte hier korrigierend einwirken und stellte damit sicher, dass auch die Schweiz sich an die Menschenrechte hält. Die Schweiz profitiert also stark von dieser übergeordneten Instanz, die die individuellen Rechte aller schützt.Nächste Schritte in den EU-Schweiz-Beziehungen
Auch in Bezug auf die Beziehung zur Europäischen Union unterstützt Volt eine engere Zusammenarbeit. Die Vorteile einer Mitgliedschaft sollen wieder stärker in den Vordergrund gestellt werden und gleichzeitig soll das Verbesserungspotential der EU durch das Schweizer Demokratiemodell - einer gut funktionierenden Konsensdemokratie - erkannt und genutzt werden. Volt setzt sich langfristig für eine institutionelle Annäherung der EU an die Schweiz ein und fordert dabei eine aktive Teilnahme der Schweiz, diese Reformen innerhalb der EU durch ihre Mitgliedschaft anzustossen (siehe weitere Details dazu hier:”EU-Reform”). Kurzfristig unterstützt Volt eine nachhaltige Entwicklung in Richtung der EU. Dabei bedeutet “nachhaltig” in diesem Kontext für uns vor allem, dass die Schweizer Bevölkerung die Schritte mitträgt und nachvollziehen kann. Es ist die Arbeit der Politik, dies durch ehrliche Argumente und offene Diskurse zu gewährleisten.
Volt begrüsst die Wiederaufnahme von Verhandlungen mit der EU zur Weiterentwicklung der bilateralen Beziehungen, allerdings stellt der bilaterale Weg für Volt keine langfristige Lösung für die Beziehungen der Schweiz mit der EU dar, denn nur die Mitbestimmung der Schweiz in der EU kann die Interessen der Schweiz langfristig und kontinuierlich sichern. Der neue “Paketansatz” bei den Verhandlungen mit der EU soll institutionelle Fragen nicht durchs Band (horizontal) für die Gesamtheit der Bilateralen klären, sondern es sollen sektorspezifische (vertikale) Lösungen erarbeitet werden. Für Volt stellt das einen pragmatischen Kompromiss für die Weiterentwicklung der EU-Schweiz-Beziehungen dar, den wir begrüssen, wenn er tatsächlich zur Stabilisierung der bilateralen Beziehungen führt. Somit wird Vertragssicherheit auf beiden Seiten geschaffen und eine politische Blockade sowie sogenannte einseitige “Nadelstiche” vermieden. Durch diese gemeinsame Vertragsbasis haben beide Parteien im Falle von Streitigkeiten gleich lange Spiesse beim Durchsetzen von Ausgleichsmassnahmen, da diese vertraglich festgelegt und juristisch anstatt politisch entschieden würden. Mit der Institutionalisierung der Bilateralen kann sich somit auch die Schweiz im Streitfall juristisch wehren, was ihre Position stärkt.
Gegen Ende der Verhandlungen zum institutionellen Rahmenabkommen führte der Bundesrat aufgrund seines nicht erreichten Verhandlungsmandats umfangreiche Konsultationen mit den wichtigsten politischen und wirtschaftlichen Akteuren im Inland durch. Daraus resultierte die Forderung des Bundesrates an die EU, Klärungen zur Rechtssicherheit in den Bereichen des Lohnschutzes, der Unionsbürgerrichtlinie (UBRL) und der staatlichen Beihilfen zu schaffen. Als damit kein Durchbruch in den Verhandlungen gelang zog sich der Bundesrat bekanntlich von den Verhandlungen zurück. Nun verhandelt die Schweiz erneut mit der EU und obwohl der neue Paketansatz von der EU mitgetragen wird, bestehen die Knackpunkte der Verhandlungen zum institutionellen Rahmenabkommen weiterhin. Volt ist grundsätzlich der Meinung, dass diese Punkte vor allem von den Verweigerer:innen und Abschotter:innen vorgeschoben werden, um eine Anbindung an die EU aus dogmatischen Gründen zu verhindern. Für die Weiterführung der Beziehungen zum wichtigsten Wirtschafts-, Sicherheits- und Wertepartner der Schweiz (die EU) haben wir klare Positionen definiert.Die Unionsbürgerrichtlinie als Chance wahrnehmen
Die Unionsbürgerschaft ist als europäische Staatsbürgerschaft neben der nationalstaatlichen Staatsbürgerschaft für alle EU-Bürger:innen gedacht. die Unionsbürgerrichtlinie (UBRL) ist eine Weiterentwicklung der Unionsbürgerschaft und soll sicherstellen, dass alle EU-Bürger:innen beim erwerben eines dauerhaften Aufenthaltsrechts (sprich die Niederlassungsbewilligung in der Schweiz) gleichgestellt sind und keine Diskriminierung aufgrund Ihrer Nationalität stattfindet. Die Schweiz ist mit dem Personenfreizügigkeitsabkommen (FZA) ein Teil des europäischen Binnenmarktes, der all ihren Bürger:innen die freie Wahl des Wohn- und Arbeitsortes ermöglichen soll, solange sie eigene Existenzmittel aufweisen. Davon profitieren auch rund eine halbe Million Auslandschweizer:innen. Die EU möchte, dass auch die Schweiz, als Teil dieses Binnenmarktes, die UBRL übernimmt und somit für alle EU-Bürger:innen in der Schweiz die gleichen Rechte für den Erhalt einer Niederlassungsbewilligung schafft, was auch den Auslandschweizer:innen zu Gute kommt. Volt ist der Ansicht, dass die Schweiz, die eng mit der EU verbunden ist und stark vom FZA profitiert, die UBRL respektieren und gleiche Bedingungen für alle EU-Bürger:innen in der Schweiz schaffen sollte. Ängste, dass dabei vermehrt Sozialhilfe von niedergelassenen EU-Bürger:innen in Anspruch genommen würden, werden bewusst von den Abschotter:innen geschürt, um die Stimmung gegen die EU zu befeuern. Fakt ist, dass es für Staatsbürger:innen von schlechter gestellten EU-Staaten bereits heute nach einem fünfjährigen Aufenthalt in der Schweiz möglich ist, die Niederlassungsbewilligung zu erhalten, wenn sie höhere Auflagen erfüllen. Eine Gleichstellung dieser Personen durch die Übernahme der UBRL würde für die Schweiz also keine grossen Einbussen abverlangen dafür aber neue Kollaborationsmöglichkeiten mit der EU ermöglichen, von der die Schweiz immens profitieren wird.Die flankierenden Massnahmen mitdenken
Durch das Personenfreizügigkeitsabkommen können Unternehmen aus der EU Arbeitnehmende in die Schweiz für maximal 90 Tage pro Kalenderjahr entsenden und umgekehrt können Schweizer Unternehmen ihre Arbeitnehmende in die EU entsenden. Da die Schweiz ein relativ hohes Lohnniveau und starke Arbeitnehmer:innenrechte hat, wurden die sogenannten flankierenden Massnahmen eingeführt (FlaM). Diese FlaM sollen die Schweizer Arbeitsbedingungen schützen und so z. B. Lohndumping von EU-Unternehmen verbieten. Damit herrschen gleiche Bedingungen für EU- und Schweizer Unternehmen. Der Grundsatz “gleicher Lohn, für gleiche Arbeit am gleichen Ort” gilt allerdings auch in der EU und macht daher zusätzliche Bestimmungen für die Schweiz obsolet. Doch die Gewerkschaften und damit auch der Bundesrat fürchten, dass sich in Zukunft das EU-Arbeitsrecht zum Schlechteren entwickeln könnte und so auch die Schweizer Arbeitsbedingungen gedrückt würden. Volt ist der Ansicht, dass diese Ängste unbegründet sind, denn auch Deutschland und Österreich haben starke Lohngefälle mit ihren Nachbarn im Osten und sind daher kaum an einer Verschlechterung Ihrer Arbeitsbedingungen interessiert, die die Wettbewerbsfähigkeit ihrer Unternehmen stark beeinflussen würde. Aus der Sicht von Volt, stellen diese Ängste weitere Gründe dar, eine EU-Mitgliedschaft der Schweiz anzustreben, denn so sitzen wir mit am Tisch und können das EU-Recht mitgestalten.Die staatlichen Beihilfen angleichen
Um gleiche Wettbewerbsbedingungen zwischen europäischen und schweizerischen Firmen überall in Europa zu schaffen, möchte die Europäische Union die Regelung der staatlichen Beihilfen der Schweiz an die der EU anpassen. Somit sollen Steuergeschenke des Schweizer Bundesstaates an ihre Firmen eingeschränkt und so die Wettbewerbsfähigkeit für alle Firmen in Europa angeglichen werden. Im Gegenzug erhält die stark exportorientierte Schweizer Wirtschaft erweiterten Zugang zum europäischen Binnenmarkt - einen 500 Millionen Absatzmarkt - auf den die Schweizer Wirtschaft nicht verzichten kann. Volt unterstützt die Kompromissbereitschaft der Schweiz und der EU in den bilateralen Verhandlungen. Wir setzen uns zur Schaffung fairer Wettbewerbsbedingungen in den Bereichen, in denen die Schweizer Wirtschaft den Binnenmarktzugang geniesst, für die weitere Öffnung der Schweizer Wirtschaft und die Angleichung der Standards für alle.Den EWR als weitere Möglichkeit zur Annäherung an die EU sehen
Der Europäische Wirtschaftsraum (EWR) wurde zur Einbindung der EFTA-Staaten in den europäischen Binnenmarkt geschaffen und fand bei allen EFTA-Staaten Anklang bis auf die Schweiz. Die damaligen EFTA-Staaten Finnland, Schweden und Österreich traten kurz nach Eintritt in den EWR sogar der EU (damals noch EG) bei, weil sie mit einer EU-Mitgliedschaft ihre Interessen besser vertreten sahen und so ein Stimmrecht erhielten. Der EWR würde im Vergleich zu den bilateralen Verträgen den vollen anstatt nur einen sektoriellen Zugang zum EU-Binnenmarkt gewähren. Im Gegenzug müsste die Schweiz mehr EU-Recht übernehmen, wie zum Beispiel die volle Unionsbürgerrichtlinie und Unternehmensrechtsakte. Allerdings hätte die Schweiz, zusammen mit den anderen EFTA-Staaten (Island, Norwegen und Liechtenstein) die Möglichkeit in einem gemischten Ausschuss mit den EU-Staaten über die zu übernehmenden neuen Rechtsakte der EU zu entscheiden, die von der EU vorgängig als “EWR-relevant” definiert wurden. Die Schweiz hätte also eine institutionelle Lösung für die Ausgestaltung der Beziehungen zur EU. Volt sieht die grossen wirtschaftlichen Vorteile einer EWR-Mitgliedschaft. Wir unterstützen eine EWR-Mitgliedschaft, wenn sie in der Schweiz mehrheitsfähig werden sollte, denn sie bedeutet eine Annäherung und Anbindung an die EU. Allerdings ist die EU-Mitgliedschaft weiterhin zu bevorzugen, denn der EWR Beitritt schafft keine aktives Stimmrecht in der EU und ermöglicht der Schweiz dadurch keine volle Mitbestimmung bei der Weiterentwicklung des EU-Rechts.Die Schweiz inmitten der Europäischen Föderalen Republik denken
Volt möchte die EU von Grund auf reformieren und eine Europäische Föderale Republik (EFR) schaffen, die vollständig politisch integriert ist und dennoch im Einklang mit unseren Prinzipien des Föderalismus und der Subsidiarität bleibt. Das bedeutet aber auch, dass Politikbereiche wie die Aussenpolitik in die alleinige Zuständigkeit der EFR fallen und somit nicht mehr in der Zuständigkeit der Nationalstaaten sind. Wir wollen, dass die Schweiz nicht aussen vor bleibt, sondern sich als demokratisches Vorzeigemodell aktiv an diesem Integrationsprozess beteiligt und ihre Werte und Aspekte ihres politischen Modells in die EFR trägt. Der EU-Beitritt der Schweiz stellt für uns also nur einen Zwischenschritt zur vollständigen Erlangung der Souveränität des europäischen Volkes dar. Die Schweiz und Europa teilen die gleichen Werte wie die Demokratie, die Rechtsstaatlichkeit und ihre humanitäre Tradition, aber auch Eigenschaften wie den Multikulturalismus und die Vielsprachigkeit. Auch was den Föderalismus und das Prinzip der Subsidiarität anbelangt, sind sich die EU und die Schweiz ähnlich, auch wenn die Schweiz in diesen Bereichen und auch in der direkten Konsensdemokratie Vorreiterin ist. Wir sehen das als guten Grund, diese Werte und Prinzipien in die EU zu tragen und diese weiterzuentwickeln, was schliesslich allen nützen wird. Aber auch die Schweiz kann einiges von Europa lernen. Viele europäische best practices, wie die progressive Drogenpolitik Portugals, den finnischen housing-first-Ansatz zur Eliminierung der Obdachlosigkeit und die Digitalisierung der Verwaltung Estlands sind bewährte Politikmassnahmen, die die Schweiz übernehmen sollte, um ihre Probleme besser lösen zu können ohne das Rad neu erfinden zu müssen. Ausserdem gewinnt die Schweiz durch einen EU-Beitritt zweifellos an effektiver Problemlösungskompetenz in der Bewältigung der Klimakrise und der Migration als auch der Durchsetzung von Datenschutzrecht gegenüber internationalen Firmen und der Sicherstellung der Menschenrechte und Demokratie auf der Welt. Nebst alledem wird die Schweiz die volle Teilhabe am EU-Binnenmarkt erhalten und als mittelgrosser Staat in der EU mit ihrem Stimmrecht viel Einfluss in der europäischen Entscheidfindung erhalten, der sie ohnehin bereits ausgesetzt ist.
Die Verweigerer und Abschotter in der Schweiz schieben dogmatische Argumente vor, weshalb die Schweiz und die EU inkompatibel seien. Volt ist der Meinung, dass diese Argumente einerseits falsch und andererseits unbegründet und schlicht nicht erwiesen sind. Die Schweiz sollte unserer Meinung nach Beitrittsverhandlungen mit der EU eingehen und danach dem Volk die informierte Entscheidung überlassen. Nur dann können wir mit Sicherheit wissen, welche Einbussen die Schweiz bei einem Beitritt zur EU in Kauf nehmen müsste, die das Volk schliesslich mit den Vorteilen einer Mitgliedschaft abwägen könnte.Die Schweizer Neutralität ins 21. Jahrhundert bringen
Die Welt ist im Umbruch. Die Demokratie und das Völkerrecht stehen unter Druck. Autokratische Regime wie China und Russland versuchen, ihre Macht auszudehnen und die freie Weltordnung zu untergraben. In diesem Spannungsfeld steht die Schweiz mit ihrer traditionellen Neutralität. Die Schweiz ist seit Jahrhunderten neutral. Das bedeutet aber nicht, dass sie sich in internationalen Konflikten nie auf eine Seite geschlagen hat. Die Fichenaffäre deckte die systematische Überwachung von linksstehenden Personen und Gewerkschafter:innen durch die Schweizer Behörden während des Kalten Krieges auf. Diese antikommunistische Haltung der Schweiz im Kalten Krieg zeigt, dass die Neutralität seit jeher nach den Interessen der Schweiz flexibel interpretiert und umgesetzt wurde. Konservative Kreise wollen diese Vergangenheit angesichts des aktuellen Spannungsverhältnisses zwischen Demokratie und Autokratie vergessen und die Neutralität zur Isolation und Abschottung missbrauchen. Die Schweizer Neutralität muss aber flexibel bleiben. Die Schweiz muss in der Lage sein, ihre Politik weiterhin an die aktuellen Herausforderungen anzupassen und sich in bestimmten Konflikten auf die Seite der Demokratie stellen zu können, wie sie es jüngst bei den Sanktionen gegen Russland getan hat. Die Schweiz soll sich weiterhin für Frieden, Freiheit und Demokratie auf der Welt einsetzen und sich klar positionieren können.Die direkte Demokratie als Schweizer Best-Practice in die EU bringen
Die direkte Demokratie der Schweiz wird von Verweigerern und Abschottern als absolut inkompatibel mit einer EU-Mitgliedschaft dargestellt und, ähnlich wie die Neutralität, als Selbstzweck hochstilisiert. Volt setzt sich in ganz Europa für mehr direktdemokratische und partizipative Instrumente ein, denn das Volk soll überall mehr mitbestimmen können. Das bereits existierende Instrument der Bürger:inneninitiative in der EU soll weiter gestärkt werden (siehe weitere Details dazu hier:”EU-Reform”). Somit entsteht eine institutionelle Nähe mit dem Schweizer Demokratiemodell. Die Schweiz ist eine Konsensdemokratie und funktioniert nur mit Kompromissfindung und breiter Repräsentation (Proporzwahl). Auch die EU kann bereits heute nur durch Kompromissfindung (im Europäischen Rat und im Rat der EU) funktionieren und setzt ebenfalls auf eine breite Repräsentation durch die Proporzwahl ihres Parlaments. Die Parallelen zur Schweiz sind unverkennbar und geben Anlass zur Annahme, dass bei einem EU-Beitritt der Schweiz die direkte Demokratie nicht oder nur marginal eingeschränkt würde. Gleichzeitig müssen wir uns die Frage stellen, inwieweit die Ausgestaltung unserer direkten Demokratie den ursprünglichen Zweck, der Bemächtigung von Minderheiten in der Politik, erfüllt. Die Regierungspartei der SVP, als weitaus stärkste Kraft im Parlament, ist Vorreiterin beim Lancieren von Initiativen und Referenden, obwohl sie an allen Hebeln der Macht steht und überall am Tisch mit sitzt. Die SVP versteht es, mit populistischen Parolen und stark vereinfachtem Schwarz-weiss denken eine emotionale Debatte im Land zu entfachen, die die Schweizer Gesellschaft polarisiert und dessen Gefolgschaft stark mobilisiert. Parteien, die einen ehrlichen argumentativen Diskurs ohne diese billigen Tricks führen wollen, können die stille Mehrheit in der Schweiz nur eingeschränkt mobilisieren. Das führt zu einer Verrohung des politischen Diskurses und führt dazu, dass politische Gegner einander nicht mehr zuhören und Konsens dadurch verunmöglicht wird. Das sehen wir als Verlust der bewährten Schweizer Konsensdemokratie an, gegen die es zu kämpfen gilt. Des Weiteren nutzt die SVP bewusst das Fehlen eines Bundesverfassungsgerichts in der Schweiz aus, indem es Volksinitiativen zur Abstimmung bringt, die Widersprüche zur Verfassung beinhalten. Beispiele dafür sind die Minarett- und die Verschleierungsverbots-Initiative, die im Gegensatz zur Glaubensfreiheit (Art. 15) in der Verfassung stehen. Gleichzeitig nutzen sie unklare Formulierungen in Initiativtexten dazu, das Parlament des Verfassungsbruchs zu beschuldigen. Das prominenteste Beispiel dafür ist die Masseneinwanderungsinitiative (MEI). Die SVP argumentierte, dass es bei der Annahme zu keinen Problemen mit der Personenfreizügigkeit kommen würde. Dies erwies sich klar als falsch, denn die Schweiz wurde kurz nach der Annahme der MEI vom Forschungsprogramm Horizon 2020 und vom Studierendenaustauschprogramm Erasmus ausgeschlossen. Das Parlament musste also einen Weg finden, die Umsetzung der MEI Personenfreizügigkeitskonform zu gestalten, was die SVP als “Verfassungsbruch” diffamierte. Dieses Vorgehen führt zur Unterminierung der direkten Demokratie und der Konsensdemokratie in der Schweiz. Volt setzt sich daher für die Einrichtung eines Bundesverfassungsgerichts ein, dass Gutachten für jede Volksinitiative erarbeitet, die diese auf ihre Kompatibilität mit der Bundesverfassung prüft und die die Initiant:innen dazu zwingt, Unklarheiten im Initiativtext und der Argumentation zu klären und so dem Volk reinen Wein einzuschenken. Bei einer Inkompatibilität muss die Initiative entweder zurückgezogen, Verfassungskonform umgeschrieben oder aber die Änderung davon berührter Verfassungsartikel im Initiativtext einbezogen werden. So stellen wir sicher, dass alle zur Abstimmung vorgelegten Volksinitiativen verfassungskonform sind, was die Bedeutung der Bundesverfassung weiter stärkt. Aber auch das Parlament und der Bundesrat sollen unter die Kontrolle des Bundesverfassungsgerichts fallen. Das würde Bürger:innen die Möglichkeit einräumen, sich bei Nichteinhaltung von direktdemokratischen Beschlüssen und Umsetzungen gerichtlich dagegen zu wehren.Souveränität durch Mitbestimmung ausbauen
Zum Begriff der Souveränität stellt sich die Frage, was darunter verstanden wird. In nationalkonservativen Kreisen ist dann die Rede von Souveränität, wenn es darum geht, dass der Schweiz auf dem Papier jegliche formale Entscheidmöglichkeiten offenstehen. Was dabei allerdings verkennt wird, ist die Realpolitik. Für eine starke Wirtschaft, für die Sicherheit der Schweiz und für die Handlungsfähigkeit Probleme zu lösen reicht es nicht aus, dass die Schweiz formal eigene Entscheidungen treffen kann. Die Schweiz braucht internationale seriöse Partner, die die gleichen Werte vertreten und mit Hilfe derer die Schweiz gemeinsame Probleme angehen kann. Doch das setzt voraus, dass die Schweiz Verpflichtungen und Kompromisse eingeht, um das Vertrauen und die Glaubwürdigkeit gegenüber ihren Verbündeten wahren zu können. Volt steht hinter dieser Auffassung von echter Souveränität. Denn am Ende geht es darum, handlungsfähig zu bleiben und Probleme, wie den Klimawandel, die Migration, die Energiesicherheit, die Ernährungssicherheit und schliesslich auch die militärische Sicherheit lösen zu können. Dafür sind wir vor allem auf Europa angewiesen. Als kleines Land ist die Souveränität der Schweiz, auch wenn sie formal gegeben ist, realpolitisch sehr eingeschränkt. Bereits heute wird die Schweizer Politik massgeblich von Europa und anderen Mächten getrieben. Das wird an den vielen Volksabstimmungen, Verhandlungen des Bundesrates, Diskussionen des Parlaments und Konsultationen aller wirtschaftlichen und politischen Akteuren in der Schweiz, die sich alle um die Beziehung der Schweiz zu Europa drehen, ersichtlich. Die Schweiz erlangt echte Souveränität nur dann, wenn sie über ihr Schicksal mitbestimmen kann. Das ist nur durch eine vollständige Mitgliedschaft in der EU möglich. eine Schweizer EU-Mitgliedschaft stärkt Europa als Garantin der freiheitlichen Welt und verleiht der Schweiz mehr Souveränität, ihre Probleme lösen zu können, ohne die föderale Selbstbestimmung in den wichtigsten Bereichen zu verlieren.