Europas Reifeprüfung

Volts Appell an die europäischen Staats- und Regierungschefs auf der Dringlichkeitstagung des Europäischen Rates

Die europäischen Staats- und Regierungschefs hatten vier Monate Zeit, um einen Plan zur Verteidigung der Ukraine und unserer Demokratie auszuarbeiten. Trotz jahrelanger Beweise dafür, dass Trump nur Stärke respektiert und Schwäche bestraft, und trotz wiederholter Aufrufe zu dringendem Handeln, hielten sie es für die beste Strategie, auf einen amerikanischen Plan zu warten.

20. Feb 2025
Wandgemälde von Putin und Trump, wie sie sich küssen

Nach den Ereignissen der letzten Tage ist klar, dass dieser amerikanische Plan daraus besteht, Russland für einen imperialen Krieg zu belohnen und die Ukraine zu erpressen und über ihre Souveränität zu belehren. Gleichzeitig wird von Europa erwartet, dass es ein Friedensabkommen finanziert und von seinen eigenen Truppen verteidigen lässt, an dem es gar nicht beteiligt war.

Wir brauchen keine weiteren Reden über „Weckrufe“, sondern endlich konkrete Taten, um eine andere Realität zu schaffen. Denn der Weg zur Autokratie wird durch Untätigkeit geebnet. Die europäischen Staats- und Regierungschefs, die heute zu einer Dringlichkeitssitzung des Europäischen Rates zusammenkommen, werden eine überzeugende Antwort auf eine Frage geben müssen:

Kann die Europäische Union für sich selbst eintreten oder wird sie in die Bedeutungslosigkeit gedrängt?

Der erste Schritt besteht darin, der Tatsache ins Auge zu sehen, dass die derzeitige US-Regierung der Idee des transatlantischen Bündnisses selbst feindlich gegenübersteht. Aber zum Glück haben wir die Mittel, uns selbst zu helfen.

Wir müssen uns unserer eigenen Stärke bewusst werden und verstehen, dass Europa mit der 20-fachen Wirtschaftskraft und der 4-fachen Bevölkerung Russlands über alle Mittel verfügt, die Ukraine und sich selbst zu verteidigen.

Es geht um mehr als um uns. Von Kanada bis Japan sehen sich die liberalen Demokratien der Aggression von Autokraten und dem Druck der USA auf den Multilateralismus ausgesetzt. Wir müssen uns zusammenschliessen und zurückschlagen.

Ein konkreter Plan zur Wiederherstellung des Friedens in Europa:

  • Erstens: Die Ukraine in die stärkstmögliche Position bringen. 

    • Die 300 Milliarden an eingefrorenen russischen Vermögenswerten beschlagnahmen und sie in die Verteidigung der Ukraine investieren.

    • Die bestehende Hilfe verdoppeln und ein massives neues Militärhilfepaket bereitstellen.

    • Direkte Unterstützung vor Ort anbieten, inkl. Ausbildung in militärischen und nicht-kampfbezogenen Aufgaben.

  • Dann einen gerechten, umfassenden und nachhaltigen Frieden erreichen. 

    • Teilnahme der Ukraine und Europas bei allen Verhandlungen.

    • Keinerlei Anerkennung irgendwelcher Gebietsverluste; keine Normalisierung der Beziehungen zu Putin.

    • Sicherheitsgarantien durch eine europäische Militärpräsenz bieten.

  • Und schliesslich: Entfesseln des europäischen Potenzials durch den ukrainischen Erfolg. 

    • Wiederaufbau der ukrainischen Wirtschaft.

    • Beschleunigung der EU-Integration der Ukraine, noch vor der Vollmitgliedschaft.

    • Eine gerechte Einigung über die ukrainischen Ressourcen für eine gemeinsame grüne Transformation.

Diese Herausforderung endet nicht in der Ukraine. Europa muss in der Lage sein, seine eigenen Interessen zu verteidigen, sich gegen ausländische Einmischung zu wehren und engere Beziehungen zu anderen liberalen Demokratien zu knüpfen.

Europa auf die Abwehr eines russischen Angriffs vorbereiten

  • Finanzierung der Investitionslücke in Höhe von 500 Milliarden Euro im Verteidigungsbereich, wobei das Ausgabenziel von mindestens 3 % durch eine gemeinsame Finanzierung erreicht werden sollte. Investition auf europäische Weise, um Skaleneffekte zu maximieren.

  • Gemeinsame Beschaffung aller erforderlichen Fähigkeiten durch die Einrichtung einer EU-Behörde für die Verteidigungsindustrie, wie im Draghi-Bericht gefordert, und Standardisierung der fragmentierten Ausrüstungstypen. 

  • Schaffung ausreichender Streitkräfte zur Erfüllung der bestehenden NATO-Ziele, auch durch die Aufstellung multinationaler Eurokorps, die kleinere Mitgliedstaaten allein nicht erreichen können.

Die Kraft unserer Gesellschaft und unserer Bündnisse zu nutzen

  • Auf die potenziellen US-Zölle und die Einmischung von Privatpersonen in unsere Demokratien mit Sanktionen und den bestehenden Instrumenten Zwangsmassnahmen reagieren, insbesondere im Hinblick auf grosse Technologieunternehmen.

  • Engere Beziehungen zu Kanada und anderen liberalen Demokratien aufbauen, die eine auf Regeln basierende internationale Ordnung bewahren wollen, auch durch neue Handelsabkommen.

  • Stärkung unserer Nachbarschaft, indem wir den EU-freundlichen Bevölkerungen in Georgien, Moldawien und auf dem westlichen Balkan ein „Mehr für mehr“ anbieten und gleichzeitig Autokraten sanktionieren.

Die Menschen in Europa haben ihr Schicksal selbst in der Hand. Niemand wird es für uns tun. Die gute Nachricht ist, dass wir es können; was wir jetzt dringend brauchen, ist die Bereitschaft zu handeln.