Volt sagt JA zur BVG-Reform

Die BVG-Reform in der Schweiz bringt bedeutende Veränderungen für das System der beruflichen Altersvorsorge mit sich. Die Reform, die durch den Bundesrat und das Parlament vorgeschlagen wurde, zielt darauf ab, die finanzielle Stabilität der zweiten Säule langfristig zu sichern. Volt unterstützt die Reform als ersten Schritt, erkennt aber auch kritische Punkte an, die nicht unbeachtet bleiben dürfen.

2. Sep 2024
Eine Hand, die alle sechs verschiedenen Schweizer Banknoten gefächert in einer Hand hält

Das Schweizer System der Altersvorsorge kennt drei Säulen: die AHV (Alters- und Hinterbliebenenversicherung, Erste Säule), BVG (Berufliche Vorsorge, Zweite Säule) und die private Vorsorge (Dritte Säule). Während die AHV universalistisch und umverteilend aufgebaut ist (Alle bekommen in etwa die gleiche Rente ausbezahlt), ist die BVG statuserhaltend. Das heisst, dass ungefähr so viel ausgezahlt wird, wie während der erwerbstätigen Lebenszeit einbezahlt wurde. Ein weiterer Unterschied ist, dass die AHV Aufgabe des Schweizer Staates ist, während der Staat bei der BVG lediglich die Rahmenbedingungen festlegt und die konkreten Leistungen von Privaten (vor allem Pensionskassen) erbracht werden. So lässt sich auch erklären, warum in letzter Zeit vor allem über die AHV und nicht die BVG diskutiert wurde, wenn das generelle Thema die Altersvorsorge war.

Die BVG-Reform versucht, auf die Herausforderungen einer alternden Bevölkerung und sinkenden Erträgen auf Altersguthaben zu reagieren. Gegen diese Reform hat der Schweizer Gewerkschaftsbund (SGB) das Referendum ergriffen, weshalb wir nun darüber abstimmen.

Es ist kompliziert

Die BVG Vorlage ist umstritten und es gibt viele verschiedene Meinungen, da die Struktur der Pensionskassen und somit das Thema als ganzes ziemlich kompliziert ist. Daher wollen wir als erstes kurz darauf eingehen, wie das System funktioniert und ein paar Begriffe erklären, damit wir alle vom gleichen sprechen. Wenn du noch mehr zu den Begriffen wissen möchtest, kannst du das Glossar vom Bundesamt für Sozialversicherungen anschauen; darin ist alles nochmals detaillierter erklärt.

Alle Arbeitnehmer:innen über 25, die in der ersten Säule versichert sind und über der Eintrittsschwelle von 22’050 Franken pro Jahr verdienen, müssen für die Altersrente in die zweite Säule einzahlen. Die Höhe der jährlichen Einzahlungen (Altersgutschrift genannt) ist ein altersabhängiger Prozentsatz des koordinierten Lohns (Einfach gesagt ist das dein Jahreseinkommen minus Koordinationsabzug von 25’725 Franken. Idee des Koordinationsabzugs ist, dass die Lohnbestandteile, die bereits über die AHV versichert sind, nicht auch noch in der BVG versichert werden). Zwischen 25 und 34 sind das 7%, bis 44 sind das 10%, bis 54 sind es 15% und bis zur Pension mit 65 sind es dann 18% des koordinierten Lohns, der einbezahlt werden muss. Das so angesparte Geld wird Altersguthaben genannt.

Nach der Pension wird jeden Monat ein Teil deines Altersguthabens an dich ausbezahlt. Wie viel ausbezahlt wird, wird über den Umwandlungssatz definiert. Aktuell beträgt dieser gesetzliche Umwandlungssatz 6.8%, d.h. dass du pro Jahr 6.8% deines Altersguthabens als Rente ausgezahlt bekommst.

Dieser gesetzliche Umwandlungssatz betrifft jedoch nur rund 15% der Arbeitnehmer:innen, die nach gesetzlichem Minimum versichert sind. Das sind meistens Menschen im Niedriglohnsektor. Nach diesem Minimum müssen nur Löhne zwischen 22'050 und 88'200 Franken versichert werden. Wenn du mehr verdienst, wären somit nur die 88’200 Franken pro Jahr versichert; alles darüber nicht. Die meisten Pensionskassen versichern jedoch mehr oder sogar den gesamten Lohn, was als Überobligatorium bezeichnet wird. Somit zahlst du monatlich mehr ein, als du gesetzlich müsstest, hast aber dann auch ein grösseres Altersguthaben. Wenn du wie die grosse Mehrheit der Arbeitnehmer:innen überobligatorisch versichert bist, hast du in den allermeisten Fällen einen tieferen Umwandlungssatz als 6.8%. Das ist zulässig, weil du durch das Überobligatorium mehr Altersguthaben und dadurch jährlich trotz niedrigerem Umwandlungssatz insgesamt mehr Rente erhältst, als wenn nur der obligatorische Teil des Lohns versichert wäre. Oder ganz einfach gesagt: Ein etwas kleineres Stück eines insgesamt grösseren Kuchens ist immernoch mehr, als ein grösseres Stück eines kleinen Kuchens. Wie hoch der Umwandlungssatz beim Überobligatorium ist, legt deine Pensionskasse fest.

Das aktuelle Problem mit dem ganzen ist, dass wir Menschen länger leben und so viel länger mit dem angesparten Altersguthaben auskommen müssen, als das einst angedacht war. Und nun geht es darum, welche der vielen Komponenten des Systems angepasst werden sollen, um die Finanzierung nachhaltig zu sichern.

Eine Reform mit guten sowie schlechten Aspekten

Die vorgeschlagene Reform des BVG soll das Finanzierungsproblem lösen, das durch die steigende Lebenserwartung und die geringeren Erträge auf Altersguthaben entstanden ist. Ein zentraler Punkt der Reform ist die Senkung des gesetzlichen Umwandlungssatzes von 6,8 % auf 6,0 %. Das bedeutet, dass die monatliche Rente im Verhältnis zum angesparten Altersguthaben sinken wird; sprich wir nehmen jährlich weniger Geld aus dem Topf und so reicht es länger. Beispielsweise würde so bei einem Altersguthaben von 100’000 Franken die jährliche Rente von 6’800 Franken auf 6’000 Franken fallen. Davon betroffen sind jedoch nur die oben erwähnten 15% der Arbeitnehmer:innen, die nicht überobligatorisch versichert sind.

Um die Auswirkungen dieser Senkung abzufedern, werden verschiedene Ausgleichsmassnahmen vorgeschlagen. Der Koordinationsabzug wird von 25’725 Franken auf 20 % des Lohns gesenkt, sodass mindestens 80 % des Einkommens versichert sind. Dies soll besonders niedrige Einkommen entlasten, die bisher nur wenig in die Pensionskasse einzahlen konnten. Bei einem Einkommen von 60’000 Franken beträgt der koordinierte Lohn aktuell 34’275 Franken; neu wären das 48’000 Franken. Somit müsste diese Person monatlich mehr Pensionskasse zahlen, hätte aber dann später ein grösseres Altersguthaben.

Zudem werden Rentenzuschläge für Übergangsgenerationen eingeführt und die Eintrittsschwelle in die BVG von 22’050 Franken auf 19’845 Franken gesenkt, was Menschen mit niedrigerem Einkommen den Zugang erleichtert. Diese Senkung kann auch diejenigen aktuell jungen Menschen, die später von Altersarmut gefährdet wären, vor dieser zumindest teilweise schützen. Auch eine Anpassung der Altergutschriften soll erfolgen: Jüngere Versicherte zahlen etwas mehr, während ältere entlastet werden.

Positives

Die Reform ist wie die AHV Reform davor ein erster Schritt, damit künftige Renten aus der obligatorischen BVG ausreichend und langfristig finanziert werden. Seit Jahren wird die Sicherung der Altersvorsorge ohne wirkliche Lösungen diskutiert, und so wird ein erster Schritt geleistet. Personen mit niedrigen Einkommen und Teilzeitarbeitende, vor allem junge arbeitende Frauen, profitieren im Alter von einer verbesserten Altersvorsorge und erhalten eventuell erstmals Zugang zu einer Pensionskasse. Pensionskassen mit Mindestleistungen erhalten durch die Reform eine solidere finanzielle Basis, was das Risiko für die Versicherten reduziert, für eventuelle Finanzierungslücken aufkommen zu müssen.

Negatives

Während niedrige Einkommen langfristig eine bessere Rente im Alter erhalten, werden sie jedoch heute mehr Pensionskassenbeiträge einzahlen müssen. So werden gerade niedrige Einkommen zusätzlich belastet. Auch werden die Renten von Personen, die nur nach gesetzlichen Minimum versichert sind und kurz vor der Rente stehen, sinken. Auch wird das Problem der Bürokratie innerhalb der Pensionskassen nicht adressiert, ebenso wenig wie Lösungen für familienbedingte Erwerbsunterbrechungen und Teilzeitarbeit.

Position von Volt

Die vorgeschlagene BVG-Reform ist ein grosser Kompromiss, der nach Jahren des Stillstands in der Vorsorgedebatte entstanden ist und erste Schritte für die Finanzierung der Altersvorsorge bietet. Er verbessert die langfristige Situation für junge Personen mit geringerem Einkommen und Teilzeitbeschäftigte. Sie trägt zur Stabilität der Pensionskassen bei und verringert das Risiko von Finanzierungslücken. Doch gleichzeitig bringt sie auch grosse Nachteile mit sich, wie sinkende Renten und höhere Belastungen für ältere Geringverdienende. Probleme wie die Rentenlücke für Frauen oder auch das Bürokratieproblem der Pensionskassen bleiben weiterhin ungelöst. Volt unterstützt die Reform, fordert aber eine rasche kritische Auseinandersetzung mit diesen Punkten.

Langfristig fordert Volt eine komplette Reform der Sozialsysteme. Über höhere und europäisch harmonisierte Steuern soll die Alters- Renten- und Invalidenversicherung solidarisch über den Staat finanziert werden, sodass wirklich alle (auch diejenigen, die aktuell unter die Eintrittsschwelle der Pensionskasse fallen) eine bedingungslose und faire Rente erhalten. Bürokratie soll abgebaut und Redundanzen aus beispielsweise Marketingbudgets minimiert werden, indem gesetzliche Mindestleistungen vom Staat direkt angeboten werden und private Akteure Zusatzangebote über das Minimum hinaus bereitstellen können.